Mittwoch, 16. Dezember 2009

Das Tomatensaft-Mysterium


Auf Flügen beobachte ich immer wieder ein interessanten Phänomen. Mindestens 30 Prozent der männlichen Fluggäste bestellen, befragt nach ihrem Getränkewunsch, einen Tomatensaft - "mit Salz und Pfeffer!" Schon bei meinem Vater konnte ich auf unseren Flugreisen in den Siebzigern und Achtzigern dieses Verhalten feststellen: "Warum trinkst Du das denn, Papa?" - "Hm, naja, weil es gut schmeckt." Komischerweise hatte mein Papa jedoch in unserem Kühlschrank keinen Liter gekühlten Tomatensaft deponiert und ich sah ihn auch nie, wenn er zur Sportschau sich seinen Tomatensaft salzte und pfefferte. Ich habe auch in meinem vergangenen vierzig Lebensjahren nie jemanden gesehen, der sich in einer Bar, einem Cafe oder sonstwo einen Tomatensaft - "mit Salz und Pfeffer!" bestellt hat. Warum also in Gotten Namen ist dies das beliebteste Getränk der Luftfahrtgeschichte?
Glauben die Konsumenten, sie würden das Image eines weitgereisten weltgewandten Vielfliegers ausstrahlen, wenn sie einen Gemüsesaft mit Gewürz bestellen? Verströmt Tomate den Duft der weiten Welt? Oder dämpft vielleicht Tomatensaft Flugangst? Wohl nur, wenn man ihn mit Wodka mischt...
Laut einem Artikel im KPMG-Magazin "Clarity" werden auf einem Flug von Frankfurt nach Atlanta durchschnittlich 32 Dosen Campbell’s Tomato Juice getrunken. Auf einem Air-Berlin-Flug von Hamburg nach Mallorca werden Spiegel Online zufolge 50 Kilogramm Tomatensaft für das Catering eingeladen, die fast komplett konsumiert werden. Airlines in Deutschland schenken pro Jahr rund 1,5 Millionen Liter aus! Das Verhältnis O-Saft zu T-Saft liegt in der Luft bei unglaublichen 1:1.
Das Abendblatt berichtet sogar, dass die Lufthansa 1993 den roten Drink von ihrer Getränkekarte strich, doch es hagelte massive Kundenproteste, so dass die deutsche Fluglinie schon 48 Stunden später das Gemüsegetränk wieder in ihr Sortiment aufnehmen musste.
Bestellt ein erster Fluggast Tomatensaft, so ergibt sich laut Stewardessen meist eine Kettenreaktion: "Ich hätte auch gerne einen!"
Die Erklärungsversuche der Journalisten und Experten sind vielfältig, kurios, aber nicht erschöpfend:
Veränderung des Geschmacksempfindens bei geringerem Druck, Elektrolyt-Theorie, Krebsrisiko-Minimierung, magenfreundlichers Verhalten des Tomatensaft im Vergleich zu Obstsäften, Sättigungseffekt von Tomatensaft weil Airlines keine Snacks reichen, intuitive Bevorratung des Körpers mit nötigen Mineralien/Vitaminen, ...
Naja, letzendlich scheint mir der "Me-Too-Effekt" doch am wahrscheinlichsten.
Ich werde aber weiterhin sagen: "Ich hätte gerne einen O-Saft!"

2 Kommentare:

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